Ein Mann und eine Frau wünschen sich ein Kind – der Kinderwunsch bleibt jedoch unerfüllt. Vom Fenster ihres Hauses aus erspäht die Gattin einen Kräutergarten. Hier züchtet die alte Hexe Gothel Rapunzeln. Tag für Tag steigert sich das Verlangen nach dem Gemüse und die Frau bittet ihren Gatten, einige Rapunzeln zu beschaffen. In der Dämmerung versucht er, das begehrte Gemüse zu entwenden. Von der Hexe auf frischer Tat ertappt geht er einen Handel ein: Das Leben des erstgeborenen Kindes im Tausch für das Seinige.
Einige Monate ziehen ins Land ehe das gewünschte Kind das Licht der Welt erblickt und der Hexe übergeben wird. Das Kind, welches auf den Namen Rapunzel hört, fristet sein Dasein fortan in einem Turm ohne Türen, deren einziger Zugang die eigenen langen Haare sind, an denen Gothel emporzuklettern pflegt. Eines Tages findet ein Königssohn den verlassenen Turm, verliebt sich in Rapuzel und wird von der Alten entdeckt. Zur Strafe schneidet sie die Haare ihrer Ziehtochter ab, verbannt sie in die Berge und blendet den jungen Mann. Dieser irrt umher, trifft zufällig auf Rapunzel und ihm widerfährt Heilung. Sie zeugen Kinder, leben einige Zeit im Gebirge und kehren an den Hof des Königs zurück, die Hexe aber wird dem Feuer übergeben.
Das Märchen der Gebrüder Grimm wird in Otto Speckters Bogen von 1857 sehr genau nacherzählt. Selbst die sonst oft vernachlässigte Andeutung der Schwangerschaft Rapunzels verschweigt man weder text- noch bildlich (vgl. Bildabschnitt 8): „Zwei von ihren Tränen aber benetzten seine Augen, da wurden sie wieder klar und er konnte damit sehen wie sonst. Bald darauf führte er seine Frau und Kinder aus den Bergen heraus.“
Strukturell entspricht der Bogen einem Metapanel Typ 2 – die einzelnen Bildstationen müssen folglich vom Rezipienten selbst dem Text zugeordnet werden und sie entsprechen nicht der westlichen Leserichtung. Dabei überrascht der Einfallsreichtum Speckters, denn der Rapunzel-Bogen weist einige außergewöhnliche Ideen, sowie geschickte Unterteilungen, auf. So findet sich auf der linken Seite des Bildes, die 1/3 der Gesamtillustration einnimmt, eine städtische Szene, die sämtliche Handlungen jenes ersten Textdrittels illustriert. Auf der rechten Seite hingegen wurde der Lebensraum der Hexe Gothel abgebildet (Wald, Turm und Gebirge). Diese Aufteilung verdeutlicht den zeitlichen Rahmen innerhalb der Geschichte. Bei genauer Betrachtung entsteht neben der vertikalen Drittelung auch eine Horizontale: Der linke obere Teil des Bildes zeigt das alltägliche Leben in einer mittelalterlichen Stadt und sorgt so für eine Art gemalten Vorspann, der nicht als Teil der Erzählung begriffen werden soll. Das Bild umrahmt dabei den mittig angeordneten, sehr ausführlichen Märchentext, der große Teile des Originals übernimmt. Scheint der Bogen auf den ersten Blick einige Szenen zu vernachlässigen (z. B. die Übergabe des Kindes, das Umherirren des geblendeten Prinzen), so offenbart sich bei sorgfältiger Betrachtung ein dichtes illustratorisches Netz aus Bildstationen, die zum Teil auch weitere Bildebenen eröffnen.
Abschnitt 1 enthält die weinende Mutter Rapunzels, die an einem Fenster sitzt, der zum Garten der Hexe weist. Der Garten selbst bildet das zweite Subpanel. Die alte Frau erwischt den nächtlichen Dieb auf frischer Tat (2). Ein Wandrelief zeigt den Prinzen sowie, in einem abgetrennten Bereich und direkt über dem Fenster, Gothel, die sich des Neugeborenen bemächtigt (3). Abschnitt 3 offenbart also eine weitere Bildebene: Während die übrigen Stationen innerhalb der Bildrealität stattfinden, handelt es sich hier um ein Bild im Bild, d. h. ein Wandrelief erzählt den unaussprechlichen Akt des Menschenhandels, verweist auch auf eine weitere, männliche Person (vermutlich handelt es sich hier um den Königssohn). Es erfolgt ein größerer temporaler Sprung in der Erzählung. Rapunzel ist eine junge Frau geworden, sie steht auf dem Turm der Hexe, an ihren Haaren klettert die Ziehmutter empor (4). In Abschnitt 5 sieht man den Königssohn, der den Turm Rapunzels entdeckt und an den abgeschnittenen Haaren Rapunzels empor klettert, nur um von der alten Frau bestraft zu werden (6). Etwas versteckter im Bild findet sich Abschnitt 7: Der geblendete Prinz irrt im Wald umher, spürt Rapunzel auf (8), die ihn mittels ihrer Liebe erlösen wird. Er kniet vor ihr, im Hintergrund befinden sich die gemeinsamen Kinder.
Panelgruppen lassen sich nicht ausmachen. Die Aufteilung der Narrationsgruppen gestaltet sich sehr einfach, denn die zuvor vorgenommene Unterteilung des Bogens in zwei Bereiche (Blau 1 und 2) bilden auch die Panelgruppen: Vorgeschichte (Subpanel 1 – 3) und Hauptteil bzw. Schluss des Märchens (Subpanel 4 – 8). Die Verwendeten Induktionsmethoden lauten: (1) → (2) Von Gegenstand zu Gegenstand, (2) → (3) Von Gegenstand zu Gegenstand, (3) → (4) Von Szene zu Szene, (4) → (5) Von Szene zu Szene, (5) → (6) Von Gegenstand zu Gegenstand, (6) → (7) Von Gegenstand zu Gegenstand, (7) → (8) Von Szene zu Szene.
Das Wandrelief (3) verdient genauere Beachtung, denn es handelt sich um eine gestalterische Besonderheit. Wie bereits angedeutet wird hier etwas gezeigt, was der Moral widerspricht. Ein schmerzvoller Akt als ungerechtfertigte Strafe für ein harmloses Verbrechen, wie sie nur von einer tyrannischen, bösartigen Hexe begangen werden kann. Jacob und Wilhelm Grimm verweisen in ihren Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen auf den eher biblisch orientierten Ursprung des Märchens in den Romanen von Schulz (1790):
eine Hexe hat ein junges Mädchen bei sich und vertraut ihm alle Schlüssel, verbietet ihm aber eine Stube. Als es diese, von Neugierde getrieben, dennoch öffnet, sieht es die Hexe darin sitzen mit zwei großen Hörnern. Nun wird es zur Strafe in einen hohen Turm gesetzt, der keine Thüre hat.[1]
Hier erinnert der Anfang an die Vertreibung aus dem Paradies, jedoch wird aus der verbotenen Frucht vom Baum der Erkenntnis nun eine Tür: Eine unschuldig attribuierte Person erhält die Erlaubnis, alle Kammern zu betreten außer jene, in der sie die Wahrheit über ihre Gebieterin erfahren würde (Hexe = Teufelsweib).[2] Die Neugier treibt sie jedoch zur Gebotsverletzung.[3] Während in der Bibel die Strafe zur Verbannung aus dem Paradies führt, wird Rapunzel in einen Turm gesperrt. Andere Quellen der Brüder Grimm verweisen auf Habgier der Eltern:
Es kommt häufig in den Märchen vor daß der Vater, gewöhnlich aber die Mutter, um ein augenblickliches Gelüsten zu befriedigen, ihr zukünftiges Kind verspricht. Manchmal wird auch unter versteckten oder dunkeln Ausdrücken gefordert und bewilligt, z. B. die Mutter soll geben, was sie unter dem Gürtel trägt. In der altnordischen Alfongssage kommt schon (Kap. 1) ein ähnlicher Zug vor. Othin erfüllt den Wunsch der Sigun, das beste Bier zu brauen, wogegen sie ihm das zusagt, was zwischen ihr und dem Bierfaß ist, nämlich das Kind womit sie schwanger geht […].[4]
Der Verlust und somit auch das Leid des Kindes werden von den Eltern in Kauf genommen, um die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Sie opfern ihr Kind aus Habgier. Während das Märchen nach Schulz eher biblische Motive aufweist, zeigt sich die vorliegende Variante als Akt der Habgier und der moralischen Verwerfung. Der Vater schließt, um die Lust der Frau zu befriedigen und sich selbst einer Strafe zu entziehen, einen Pakt mit der Teufelsdienerin und verfügt so über das Leben des noch ungeborenen Kindes. Speckter illustriert demnach in deutlichen Bildern den Kinderwunsch der Frau (1) und den Diebstahl der Rapunzel sowie die Bestrafung durch die Hexe (2). Die aus der Habgier der Eltern resultierende Bestrafung hingegen versteckt er in einem Wandrelief, einer tieferen Bildebene (3), die auf den ersten Blick wie eine verzierende Illustration an einem Bauwerk wirkt.
Eine weitere Besonderheit findet sich in Bildabschnitt 4. Die Hexe Gothel spricht mit Rapunzel. Aus ihrem Mund entweicht eine Sprechblase mit den Worten: „Rapunzel lass dein Haar herunter.“ Die Form der Blase bedarf genauer Betrachtung, denn sie weist einige interessante sowie einzigartige Merkmale auf. Es handelt sich nicht um eine Sprechblase, wie man sie aus heutigen Comics kennt, sondern Speckter orientiert sie an zeittypischen Vorbildern, die ihren Ursprung in den Spruchbändern des Mittelalters haben.[5] Im Gegensatz zu den Spruchbändern des Mittelalters fließt der Text hier jedoch eindeutig aus dem Mund der sprechenden Person und wird ihr nicht – wie sonst üblich – anderweitig zugeordnet. Erkennbar wird dies am geöffneten Mund der Hexe, aus dem jene weiße, verschlungene Blase entweicht. Der Text findet sich inmitten einer wellenförmigen Umrandung, die an comictypische Geruchs- / Atemlinien erinnern. Anhaltspunkte, die einen gesprochenen Text nahelegen.[6] Überdies steigen die Worte empor, d. h. sie entfliehen in Richtung Rapunzel. Die Form der Blase wurde demnach sinnvoll in das Bild integriert und lenkt den Rezipienten durch das Metapanel.
Sprechblasen gehören wie auch Soundwords oder Gedankenblasen zu jenen Elementen eines Bildes, die für den Leser sichtbar als Teil des Bildes erkennbar, jedoch in der Bildrealität selbst nicht vorhanden sind. Hier muss zwischen mehreren Ebenen unterschieden werden: Ebene 1 zeigt das Bild selbst. Ebene 2 widmet sich der Schrift innerhalb der Bildrealität, also jenen Zeichen, die auf Wänden, Büchern, Glasscheiben etc. vorkommen. Ebene 3 hingegen offenbart sich nur dem Rezipienten, denn für die handelnden Personen des Bogens repräsentieren sie Schall oder Gedanken.[7] Balzer und Wiesing sehen die Irrealität des Textes einer Sprechblase als grundlegend für ihre Existenz an. Sobald der Text innerhalb einer Sprechblase zur Bildrealität wird, handele es sich nicht um eine solche.[8] Diesem Standpunkt muss vehement widersprochen werden, denn er dient dazu, Spruchbänder und ähnliche frühen Sprechblasen als solche zu disqualifizieren, um Richard Felton Outcault als Erfinder des Comics zu positionieren. Frühe Sprechblasen finden Erwähnung, werden jedoch als solche disqualifiziert. Die Autoren verweisen z. B. auf den Barbarossaleuchter aus der Aachener Pfalzkapelle von 1166. Hier findet sich ein in der Hand eines Engels gehaltenes Spruchband, doch dieses Band sei problematisch, „weil ein Spruchband keine ikonische Differenz von Bild und Welt aufbaut und überbrückt.“[9] Aber auch Sprechblasen, wie man sie z. B. in Grown Citizens learning to Dance (1769) oder A certain personage in the Character of a Fool as he perform’d it at Whitchurch & elsewhere (1770) vorfindet, werden von Balzer und Wiesing als solche nicht anerkannt, denn sie schlängeln sich durch das Bild, der Text steht in ihnen teilweise auf dem Kopf: „In einer Sprechblase kann eine Schrift nicht auf dem Kopf stehen, weil das, was in der Sprechblase oben oder unten ist, nicht durch das Bildobjekt, sondern durch den Bildträger definiert wird.“[10] Folglich müssten Sprechblasen als Text begriffen werden, der parallel zum Grund steht und nicht Teil der Bildrealität ist. Obwohl diese Theorie auf Comics des 20. Jahrhunderts größtenteils zutrifft[11] existieren auch Ausnahmen wie Garfield oder Felix, wo Sprechblasen zeitweise als Ballons missbraucht werden und sich somit im Bild manifestieren.[12]
Thierry Smolderen widmet dem Ursprung der Sprechblase in The Origins of Comics. From William Hogarth to Winsor McCay ebenfalls ein eigenes Kapitel und legt ihren Ursprung sehr genau dar: Obschon sie ab dem 17. Jahrhundert in der englischen Satire bekannt sind, werden sie von Comiczeichnern nicht im Rahmen von Bildergeschichten verwendet. Sprechblasen waren jedoch nicht immer als solche bekannt. Smolderen führt ihren Ursprung auf die Phylakterie zurück, Amulette, die man in der Antike zur Abwehr von Krankheiten trug. Im Mittelalter entstanden aus ihnen Spruchbänder, welche man z. B. als Beschriftung / Etikett verwendete. Nur selten, sei der Text als tatsächlicher Ausspruch zu werten gewesen. Vielmehr teilte man auf diese Art dem Leser mit, welcher Engel oder Heilige auf einem Bild zu sehen war.[13] Spruchbänder in satirischen Bildern hingegen sind emblemativ und allegorisch:
In these purely intellectual constructions, characters and settings have both a literal meaning […] and a hidden meaning that the reader must decode. […] The tableau is nothing more than a hieroglyph […].
In this context, the reason why labels cannot be read as simple balloons becomes clearer. There is nothing natural in the construction of emblems and allegories […]. How could figures frozen in a timeless hieroglyph speak freely, like characters in a comic strip?
The self-presentation function explains, of course, the often stiff and hieratic aspects that the ‘speeches’ reported by labels take on for those, who naïvely read them as modern word ballons.[14]
Eine Sprechblase setzt demnach ein Bild mit Temporalität voraus. Eine Grundvoraussetzung, die in Metapanels erfüllt sind, in ‚eingefrorenen‘ Bildern aus dem Mittelalter aber nicht. Erst George Cruikshank erweiterte, so Smolderen, die Verwendung der Spruchbänder und entfernte es zunehmend von seiner ursprünglichen, beschriftenden Aufgabe. Etabliert wurden Sprechblasen aber auch laut Smolderen, der sich auf James Swinnerton bezieht, erst durch Outcaults Yellow Kid,[15] was aber explizit nicht ausschließt, dass sie bereits vorher als solche Verwendung fanden.
Betrachtet man nun die Sprechblase der alten Hexe im Rapunzelbogen erneut, fällt zuerst die Windung der Blase und somit des Textes auf. Folgt man nun Balzer und Wiesing, handelt es sich demnach nicht um eine vollumfassende Sprechblase. Bezieht man aber Smolderens Beschreibung mit ein, entzieht sich ihr Funktion der rein beschriftend-etikettierende Wirkung, noch steht sie in einem nicht-temporalen Bild, sondern in einem Metapanel mit verschiedenen Zeitebenen, die sich aufeinander beziehen, aber auf eine starre Panelstruktur verzichten. Weiterhin findet sich neben dem Metapanelbild ein gedruckter Text, der, deutlich von der Bildrealität abgesetzt, etwaige Zusammenhänge innerhalb des Bildes erläutert. Dem handschriftlich eingefügten Text kommt somit eine besondere Funktion zu, denn das berühmte „Rapunzel lass dein Haar herunter.“ findet sich auch im Text selbst wieder (hier übrigens ohne Fehler in der Zeichensetzung), wurde somit gedoppelt und darf als Ausspruch der Hexe gewertet werden, ohne auf sich selbst zu referenzieren. Otto Speckter, Zeichner des Bogens, entschied sich demnach bewusst für eine gesonderte Hervorhebung des Ausspruchs. Die Sprechblase wird zudem nicht nur genutzt, um einen Sprechakt in das Bild zu integrieren, sondern auch um den Rezipienten durch das Bild zu führen, denn sie weist zum Turm empor.
Spruchbänder bzw. Sprechblasen, die zu einer Person hinführen, finden sich laut Michel Butor auch in anderen Bildern: „Das Spruchband, das sich von einer Person wegbewegt, ermöglicht uns, ihre Rede zu verfolgen und sogar, dank der Windungen, [auch] ihre Sprechweise. Wendet sich ein Sprechender an eine andere dargestellte Person, muß mich die Lesebewegung zu diesem Zuhörer führen.“[16] Um eine solche, dem Zuhörer zugewandten Sprechblase, handelt es sich auch im Rapunzelbogen. Die Hexe Gothel spricht, während Rapunzel ihr zuhört. Ihr Sprechakt schlängelt sich zu ihr empor, der Leser folgt ihr und wird mittels Sprechblase durch einen Teilbereich des Bildes geführt. Ein Weg, den die Hexe selbst zurücklegen muss.
Ähnliche Blicklenkungen durch Sprechblasen sind in der Kunstgeschichte nicht unüblich. Giorgiones Portrait einer alten Frau (undatiert) etwa zeigt ein beschriftetes Band mit den Worten „Col Tempo [Anm. JA: Mit der Zeit]“, jedoch ist der Text an ihrer Hand befestigt, mit der sie auf sich selbst zeigt und nahelegt, dass auch der Rezipient mit der Zeit ebenso altern wird, wie die abgebildete Person.[17] Ähnlich verhält es sich bei Van Eyck. Der Genter Altar zeigt, so Butor, die Verkündigung aus der Bibel. Ein Engel spricht zu Maria die Worte „Ave gratia plena dominus tecum“, wobei der Text zu Maria führt, und nicht vom Hintergrund des Bildes abgesetzt, sondern in ihn hineingeschrieben wurde.[18] Die Antwort Marias folgt: „,Ecce ancilla domini‘ ‚Ich bin des Herrn Magd‘“[19] Folglich führt die Schrift auch hier von Person zu Person und ermöglich mithilfe des Sprechaktes eine Blicklenkung des Rezipienten.
Dem Rapunzelbogen kommt eine besondere Bedeutung für die Comicforschung zu: Es handelt es sich hier um den einzigen Bogen innerhalb der Sammlung, der eine Sprechblase vorweist.[20] Dass der Bogen überdies nicht aus dem späten 19. Jahrhundert, sondern von 1857 stammt, überrascht. Bildmittelpunkt und Fokus des Bilderbogens bildet der Text selbst. Die Illustrationen verwenden im Hauptpanel den Establishing Shot, die acht Subpanels verwenden Auf Augenhöhe und belegen auf der McCloud-Realismusskala den Bereich 44, 60 – 64 sowie 81 – 85. Das Bild-Text Verhältnis ist textlastig; neue, bildliche Informationen, die über den Text hinausgehen, lassen sich nicht bestimmen.
Belege:
[1] Grimm, Jacob und Wilhelm: Rapunzel. Anmerkungen. In: Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Gesamtausgabe mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3. Stuttgart 2001. S. 34.
[2] Weitere Parallelen lassen sich auch in Hinblick auf Blaubart erkennen. Vgl. zum Topos des verbotenen Schlüssels / der verbotenen Kammer auch Ritter Blaubart, Ritter Blaubart. Gezeichnet von O. Brausewetter und Blaubart.
[3] Das Märchen vom Ritter Blaubart arbeitet mit ähnlichen Motiven. Auch hier existiert ein Raum, den zu betreten untersagt wurde, da in ihm die Leichen seiner Exfrauen verborgen liegen. Vgl. hierzu Grimm, Jacob und Wilhelm: Blaubart. In: Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Band 2. S. 465. u. Perrault, Charles: Blaubart. Ein Märchen. In: Distelmaier-Haas, Doris (Hg.): Charles Perrault. Sämtliche Märchen. Mit 10 Illustrationen von Gustave Doré. Übersetzung und Nachwort von Doris Distelmaier-Haas. Stuttgart 1986. S. 75.
[4] Grimm, Jacob und Wilhelm: Rapunzel. Anmerkungen. In: Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Band 3. S. 34.
[5] Die ihrerseits wiederum auf antike Texte zurückgeht, die noch ohne Blase auskommen. Vgl. hierzu auch: Clausberg, Karl: Metamorphosen am laufenden Band. Ein kurzgefaßter Problemabriß der Sprechblasenentwicklung. In: Hein, Michael et. al. (Hg.): Ästhetik des Comic. Berlin 2002.
[6] Vergleiche hierzu auch die Anmerkungen zum Titelband in Der Froschkönig nach Grimm (Korpus 15) [Typ2].
[7] Vgl. hierzu Balzer, Jens und Lambert Wiesing: Outcault. S. 35 – 62.
[8] Vgl. Ebd. S. 43 f..
[9] Vgl. Ebd. S. 49.
[10] Vgl. Ebd. S. 55.
[11] Das größte Problem der Interpretation Balzers und Wiesings besteht im Versuch, Yellow Kid als Ursprung des Comics zu zementieren, was umständliche Anforderungen an Sprechblasen nach sich zieht. Die Wichtigkeit der Yellow-Kid-Sprechblase darf dennoch nicht marginalisiert werden. Vgl. hierzu: Smolderen, Thierry: The Origins Of Comics. S. 137 – 147.
[12] Vgl. hierzu Davis, Jim: Garfield vom 22.6.1996 und Messmer, Otto: Felix the Cat vom 15.07.1928 (letzteres zitiert nach Clausberg, Karl: Metamorphosen am laufenden Band. S. 18.
[13] Vgl. Smolderen, Thierry: The Origins Of Comics. S. 137 – 138.
[14] Ebd. S. 138 – 139.
[15] Ebd. S. 140.
[16] Butor, Michel: Die Wörter in der Malerei. S. 99.
[17] Vgl. Ebd. S. 99 ff..
[18] Vgl. Ebd. S. 101 ff.
Anmerkung J. A.: Die Reproduktion des Bildes gestaltet sich in zweierlei Hinsicht problematisch, denn die beiden Bildabschnitte sind spiegelverkehrt und in sich überdies vertauscht abgedruckt.
[19] Ebd. S. 104 ff.
[20] Eine weiteres, sprechblasenähnliches Objekt lässt sich in Vom Schlittschuhlaufen und vom Gockelhahn (Münchener Bilderbogen Nr. 83) bestimmen, wobei hier nur Tierlaute („Ki Kiri Ki Kiiihhhhiii“) ohne Blase dem Schnabel des Hahns entweichen.