Der Münchener Bilderbogen Nr. 923 von Lothar Meggendorfer, einem Zeichner, der „in seinen besten Zeiten [.] eine Bekanntheit [besaß], die beinahe der eines Wilhelm Busch entsprach“,[1] gehört zu einer Reihe an Bogen, die besonders sequenziell ausfallen. Zu ihnen gehören u. a. Die Gnomen und das Kartenhaus[2] oder auch Hans und der Mond (Münchener Bilderbogen Nr. 1061). Dieser speziellen Ausprägung liegt eine beinahe filmische Sequenz zu Grunde. Im Falle des Münchener Bilderbogens Nr. 923 wäre es sogar möglich, den Bogen mithilfe eines Praxino- oder Zoetrops zu animieren, würde man die letzten drei Panels ignorieren.[3] Problematisch wäre indes die Wiedergabegeschwindigkeit, denn trotz der 21 animationstauglichen Bilder wäre der Zeitraum von 0,04 bzw. 0,08 Sekunden[4] zu schnell, um eine flüssige Animation zu erzielen.[5] Dennoch fallen Meggendorfers Bilderbogen so filmähnlich aus, dass zwei von ihnen als Vorlage für die Filme Karl Valentins dienten.[6]
Meggendorfers Bilderbogen für den Verlag Braun & Schneider unterscheiden sich erheblich von seinen Arbeiten in den Fliegenden Blättern. Zudem bemerkt Eckart Sackmann, dass er „eine im Verhältnis zu seinen Kollegen große Anzahl von Einzelbildern [verwendete]. Nicht selten spielt sich das Geschehen in jedem dieser Bilder vor demselben Hintergrund ab; nur die Figuren variieren.“[7] Die Vielzahl an Einzelbildern verdichten die Sequenz, was im Falle Meggendorfers zu einem fakultativen Begleittext führt, was sich später auch an Die Gnomen und das Kartenhaus zeigen wird. Bewegungsabläufe bilden folglich das Zentrum der Geschichte.
Der vorliegende Bogen von Lothar Meggendorfer zeigt akrobatische Kunststücke zweier Japaner, die vor einem in Panel 23 angedeuteten Publikum (das ohnehin durch den Rezipienten vorhanden ist) aufgeführt werden. Ein älterer Japaner wirbelt einen noch sehr jungen Bub durch die Luft, steckt ihn in ein Fass und wirbelt ihn erneut umher, ehe der Knabe vom Publikum geworfenes Obst / Gemüse aufliest. Die verwendeten Induktionsmethoden überraschen, denn sie finden sich in dieser Häufigkeit kaum in Bilderbogen und wechseln zwischen Von Handlung zu Handlung und Von Augenblick zu Augenblick.
Gruppe 1 | Gruppe 2 | Gruppe 3 | Gruppe 4 | Gruppe 5 | |
Entre / Verbeugung | Akrobatische Kunststücke 1 | Akrobatische Kunststücke 2 | Verbeugung | Pointe | |
Der Japanese und sein Kind | Panel 1 | Panel 2 – 9 | Panel 10 – 21 | Panel 22 | Panel 23 – 24 |
Obschon die Erzählung simpel ausfällt, lassen sich fünf Narrationsgruppen bestimmen. Gruppe 1, 4 und 5 bilden folglich einen erzählerischen Rahmen um Gruppe 2 und 3, während die detaillierten Bewegungsillustrationen zwanzig Panels einnehmen, aber nur zwei Kunststücke abbilden (das Kind wird erst ohne, später mit Fass, durch die Luft gewirbelt). Nach der Verbeugung (Gruppe 4 und Gegenstück zu Gruppe 1) folgt die Pointe in den Panels 23 – 24 (Gruppe 5). Das Publikum – hier durch Hände angedeutet – bewirft die beiden Japaner mit Obst und Gemüse, welches das Kind im zuvor verwendeten Fass aufsammeln wird. Darüber hinaus lassen sich folgende Panelgruppen bestimmen: Gruppe 1: Panel 2 bis 9 (das Kind liegt auf den Füßen seines Vaters und wird durch die Luft geschleudert), Gruppe 2: Panel 11 – 13 (das Kind befindet sich auf einem Fass, während dieses in die Luft geschleudert wird, verschwindet der Junge im Fass), Gruppe 3: Panel 14 – 16 (das Kind wird erneut durch die Luft gewirbelt, befindet sich nun aber im Fass), Gruppe 4: Panel 17 – 18 (das Fass wird auf den Füßen des Vaters gedreht) und Gruppe 5: Panel 19 – 21 (der Japaner steht auf und befreit den Jungen aus dem Fass).
Die Gnomen und das Kartenhaus, ebenfalls von Meggendorfer, verwendet einen ähnlich strukturierten Aufbau. Ebenfalls ein Münchener Bilderbogen (Nr. 940), der ungefähr zur selben Zeit entstand, wird nun jedoch ein begleitender (wenn auch fakultativer) Text von Franz Bonn verwendet.[8] Es bestätigt sich, dass diese Form der Sequenz auch ohne Text auf den Rezipienten wirkt, denn Bonn beschreibt mehr, als dass er die Bilder mit zusätzlichen Informationen anreichert, dass Text- / Bilderverhältnis ist gedoppelt.[9] Einzig die Namen der Gnome, Frosch und Frisch, dürften von Relevanz sein und so erfährt der Leser, was ohnehin sichtbar wird: Frisch und Frosch bauen ein Haus aus Spielkarten (sie selbst sind etwas kleiner als Dieselbigen), tanzen nach getaner Arbeit auf dem Dach des neues Heims und bringen ihr Haus zum Einsturz. Hildegard Krahé bestätigt den Eindruck des fakultativen Textes:
Der bei Illustrationen sonst fast unentbehrliche Begleittext wird in seinen Bildgeschichten durch die Sprache der Gebärden entweder zum bloßen Beiwerk oder gänzlich überflüssig.
Das bewegte Geschehen darin impliziert einen filmisch wirkenden Handlungsablauf. Doch im Gegensatz zu der beim Film lückenlos ablaufenden Handlung, enthält die Bildgeschichte bei Meggendorfer szenische Auslassungen, die vom Betrachter im Geiste übersprungen werden müssen. […] Obwohl auch bei Meggendorfer schon alle später im Stummfilm verwendeten Slapstickelemente vorhanden sind, reicht bei ihm ein passives Geschehen des Vorgangs nicht aus. Seine Bilderpossen fordern zum geistigen Mitgehen, zur gedanklichen Anteilnehme am Geschehen auf.[10]
Eckart Sackmann stellt heraus, dass es sich bei dem von Krahé beschriebenen Vorgang um „ein Grundprinzip des Comics“ handelt.[11] Jene Auslassungen werden durch den Induktionsprozess mit Inhalt gefüllt.
Im Gegensatz zu Der Japanese und sein Kind fällt in Die Gnomen und das Kartenhaus die Sequenzialität etwas weiter aus. Die Möglichkeit einer nachträglichen Animation entfällt, was sich z. B. an den Panelübergängen (12) → (13) zeigt. Panel 12 präsentiert den blauen Gnom beim Besteigen des Kartenhauses, Panel 13 beim Annehmen einer Spielkarte. Der Handlungsübergang erfordert zu große induktive Leistung, um als Teilbewegung erkannt zu werden und setzt sich deutlich von Augenblicksübergängen wie (2) → (3) ab. Es ändert sich im Gegensatz zum Augenblicksübergang nicht nur ein Detail des Bildes, sondern ein weiteres Element tritt in den Vordergrund. Während sich im Augenblicksübergang beide Gnome nur minimal bewegen, deutet die Spielkarte des grauen Gnoms eine minimal längere Handlung an, die deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt, als die Bewegung eines Arms von der Körperseite zu der Spielkarte vor ihm.
Erneut lassen sich mehrere Narrationsgruppen bestimmen, im Gegensatz zu Der Japanese und sein Kind findet die Handlung an zwei Orten statt, obschon dieser nur in einem Panel abgebildet (Panel 1) und einem weiteren (Panel 4) angedeutet wird.
Gruppe 1 | Gruppe 2 | Gruppe 3 | Gruppe 4 | Gruppe 5 | |
Ausgangssituation | Experiment | Bau des Kartenhauses | Bau des Kartenhauses (weitere Etagen) | Zusammenbruch | |
Die Gnomen und das Kartenhaus | Panel 1 | Panel 2 – 3 | Panel 4 – 11 | Panel 12 – 15 | Panel 16 |
Zudem lassen sich Panelgruppen bestimmen. Gruppe 1 besteht aus den Panels 1 und 2 (die Gnomen begutachten zwei aneinander lehnende Spielkarten und stellen sie erneut zusammen), Gruppe 2 aus Panel 4 und 5 (die Gnomen schaffen zwei neue Karten herbei und lehnen sie an ihr Konstrukt), Panel 6 und 7 – zwei weitere Karten werden herbeigebracht – bilden Gruppe 3, Gruppe 4 besteht aus den Panels 9 bis 11 (eine zweite Etage wird errichtet), Gruppe 5 aus den Panels 12 und 13 (ein Gnom erklimmt das Kartenhaus und nimmt eine neue Spielkarte entgegen) und Gruppe 6 aus den Panels 15 und 16 – während beide Gnome auf dem Kartenhaus tanzen, fällt dieses in sich zusammen.
Problematisch erscheint indes der Bewegungsverlauf zwischen Panel 3 und 4: Panel 2 zeigt zwei bereits aneinander gelehnte Karten, Panel 3 hingegen den Aufbau derselben. Es erfolgt ein Perspektivwechsel in Panel 4, jenem Bild, das den zweiten Ort andeutet, denn die Gnome holen weitere Karten herbei und das zuvor erstellte Grundgerüst weist nun nicht mehr nach links, sondern rechts. Im folgenden Verlauf orientiert sich die Perspektive wieder an der Ausgangssituation. Bedingt durch den eingeschränkten Informationsgewinn des Bonn’schen Begleittextes handelt es sich bei den Panelgruppen um Bewegungseinteilungen, wie sie McCloud beschreibt.[12] Bewegungen werden nicht, wie in den zuvor analysierten Bogen, Von Szene zu Szene oder Von Gegenstand zu Gegenstand abgebildet, sondern es lassen sich tatsächliche Unterteilungen einzelner Bewegungsverläufe bestimmen.
Analysetabelle anzeigen …Münchener Bilderbogen Nr. 923: Der Japanese und sein Kind. | Münchener Bilderbogen Nr. 940: Die Gnomen und das Kartenhaus. | |
Panel 1 | Text (T): Nicht vorhanden.
Bild (B): Vater und Kind stehen neben einer Liege und einem Fass. Fokus (F): Vater und Kind. Bildmittelpunkt (BM): ob der rahmenlosen Panelstruktur nicht vorhanden (n. V.). Perspektive (P): Augenhöhe. |
T: „Zwei Gnome, Frosch und Frisch, erblicken Karten auf dem Tisch.“
B: Karten liegen auf dem Boden, zwei Gnome – einer blau und gelb, der andere grau gewandet – begutachten sie. F: Karten BM: ob der rahmenlosen Panelstruktur nicht vorhanden (n. V.). P: Augenhöhe |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | Von Handlung zu Handlung |
Panel 2 | B: Der Japaner liegt auf der Liege. Er balanciert sein Kind auf den Füßen, seine die Beine sind ausgestreckt.
F: Kind. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Gar bald vergnügt die beiden sehen: Die Blätter bleiben aufrecht stehen,“
B: Karten stehen aneinander gelehnt, Gnome wundern sich. F: Karten. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Augenblick zu Augenblick | Von Augenblick zu Augenblick |
Panel 3 | B: Alles wie in Panel 2, Beine sind nun aber angewinkelt.
F: Kind. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Wenn man sie so zusammenstellt, Daß eins das andre stützt und hält.“
B: Die Karten aus Panel 2 werden aneinandergestellt. F: Gnomen, die Karten zusammenstellen. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | Von Handlung zu Handlung |
Panel 4 | B: Alles wie in Panel 3, Beine sind ausgestreckt und das Kind wirbelt durch die Luft.
F: Kind. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Daß dies gelang erfreut sie sehr, Drum rasch zwei neue Karten her!“
B: Das Bild folgt den Gnomen (die Karten weisen nun nach rechts), sie holen zwei weitere Karten.
F: Gnomen. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | Von Handlung zu Handlung |
Panel 5 | B: Alles wie in Panel 2, das Kind schaut aber nicht nach oben, sondern blickt seinen Vater an.
F: Kind. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Die lehnen links und rechts sie bei, Daß fester steh’n die ersten zwei.“
B: Die Gnome bauen ein Gerüst um die ersten beiden Karten. F: Karten. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | Von Handlung zu Handlung |
Panel 6 | B: Alles wie in Panel 3, das Kind wirbelt aber durch die Luft.
F: Kind. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Frisch ist zufrieden nicht damit, Er will noch weiter einen Schritt. / Da warnt ihn Frosch: ‚Sei nicht so dumm, Du wirfst damit die andern um!‘“
B: Die Gnomen bauen weiterhin das Gerüst. F: Blauer Gnom trägt Karte. BM: n. V. P: Augenhöhe- |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | Von Handlung zu Handlung |
Panel 7 | B: Alles wie in Panel 2, das Kind steht nun aber auf den Füßen seines Vaters.
F: Kind. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Doch sieh‘, es geht; der Frisch ist froh, Nun macht es Frosch gerade so.“
B: Das Gerüst wird weiterhin gebaut. Durch den Text wird nun deutlich, dass der blaue Gnom Frisch und sein grauer Freund Frosch heißt. F: Frisch hält Karte fest. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | Von Handlung zu Handlung |
Panel 8 | B: Alles wie in Panel 7, nun macht das Kind jedoch einen Kopfstand auf den Füßen des Vaters.
F: Kind. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Der Appetit kommt oft bei Tisch, – So geht’s den Gnomen Frosch und Frisch.“
B: Die Gnome schaffen neue Karten herbei. F: Kartenhaus. BM: n. V. P: Vogelperspektive |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | Von Handlung zu Handlung |
Panel 9 | B: Alles wie in Panel 6, das Kind wirbelt nun mit den Beinen zuerst und blickt in die andere Richtung.
F: Kind. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Ob des Gelingens froh und heiter Bau’n beide an dem Häuslein weiter.“
B: Eine zweite Etage entsteht. F: Frosch. BM: n. V. P: Augenhöhe |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | Von Handlung zu Handlung |
Panel 10 | B: Der Japaner winkelt seine Beine an, der rechte Arm ist ausgestreckt, auf der Hand steht das Kind. Mit dem linken Arm greift er nach dem Fass.
F: Kind. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Sie lehnen, wie sie’s erst getan, Die beiden Seitenblätter an.“
B: Es wird ein weiteres Gerüst gebaut. F: Frisch. BM: n. V. P: Augenhöhe |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | Von Handlung zu Handlung |
Panel 11 | B: Beine sind weiterhin angewinkelt, nun hält der Japaner das Fass mit beiden Händen fest. Auf dem Fass liegt das Kind.
F: Kind. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Und wiederholen so genau Im zweiten Stock des untern Bau.“
B: Das Gerüst entsteht weiterhin. Die Handlungen der Gnome aus Panel 6 und 7 werden kombiniert. F: Spielkarte von Frosch. BM: n. V. P: Vogelperspektive |
Indmeth. | Von Augenblick zu Augenblick | Von Handlung zu Handlung |
Panel 12 | B: Das Fass (auf ihm liegt das Kind) wird nun mit den ausgestreckten Beinen balanciert.
F: Kind. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Weil nun der Arm so weit nicht reicht, Steigt Frisch hinauf – so geht’s vielleicht!“
B: Frisch steigt auf das Dach des zweiten Stocks. Frosch hilft ihm dabei. F: Frisch. BM: n. V. P: Vogelperspektive |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | Von Handlung zu Handlung |
Panel 13 | B: Die Beine werden angewinkelt, das Fass fliegt durch die Luft, während sich das Kind noch in ihm befindet. Von ihm sind nur noch die Beine und der Kopf zu erkennen. Der Vater öffnet einen Fächer.
F: Fass. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Es geht! Noch nicht der Arbeit satt Schleppt Frosch herbei ein neues Blatt.“
B: Eine weitere Etage entsteht. Frosch reicht Frisch eine weitere Karten an. F: Frisch. BM: n. V. P: Vogelperspektive |
Indmeth. | Von Augenblick zu Augenblick | Von Handlung zu Handlung |
Panel 14 | B: Das Fass landet auf den ausgestreckten Beinen des Vaters, vom Sohn sind nun nur noch die Füße zu sehen. Der Fächer bewegt sich nach links.
F: Fass. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Doch endlich geh’n die Blätter aus Und fertig ist das Kartenhaus.“
B: Frosch klettert die Hauswand empor, Frisch befestigt das Dach. F: Frisch. BM: n. V. P: Augenhöhe |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | Von Handlung zu Handlung |
Panel 15 | B: Die Beine werden erneut angewinkelt. Das Fass fliegt nun sehr hoch. Der Fächer befindet sich nun rechts.
F: Fass. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Voll Freude, weil das Werk geglückt, Jetzt tanzen beide wie verrückt;“
B: Gnome tanzen auf Dach des Hauses. F: Gnome. BM: n. V. P: Vogelperspektive |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | Von Handlung zu Handlung |
Panel 16 | B: Die Beine sind wieder ausgestreckt, die Füße des Kindes berühren die seines Vaters, es steckt immer noch im Fass. Der Fächer befindet sich wieder links.
F: Fass. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
T: „Doch eh‘ sie’s denken, – eins – zwei – drei – Da ist der ganze Spaß vorbei!“
B: Kartenhaus stürzt zusammen, Gnome fallen. F:Frisch. BM: n. V. P: Augenhöhe |
Indmeth. | Von Augenblick zu Augenblick | |
Panel 17 | B: Das linke Bein bleibt ausgestreckt, das rechte wird angewinkelt. Das Fass liegt nun mit der runden Seite auf den Füßen des Vaters. Die Füße des Kindes weisen nach rechts. Der Fächer befindet sich auf Bauchhöhe.
F: Fass. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
|
Indmeth | Von Augenblick zu Augenblick | |
Panel 18 | B: Die Beine werden zum Bauch gezogen, die Unterseite des Fasses weist nach links. Der Fächer wird zusammengefaltet.
F: Fass. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
|
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | |
Panel 19 | B: Das Fass wirbelt durch die Luft, der Japaner steht langsam auf.
F: Fass. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
|
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | |
Panel 20 | B: Der Japaner steht vor der Liege, der Bildausschnitt verschiebt sich nach links. Mit ausgestreckten Armen fängt der Vater das Fass.
F: Fass. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
|
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | |
Panel 21 | B: Das gefangene Fass wird umgekippt, das Kind fällt heraus. Man befindet sich am Fußende der Liege.
F: Fass. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
|
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung | |
Panel 22 | B: Vater und Kind verbeugen sich, stehen nun aber wieder direkt vor der Liege.
F: Vater und Kind. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
|
Indmeth. | Von Gegenstand zu Gegenstand | |
Panel 23 | B: Das Publikum wirft mit Obst/Gemüse. Der Junge sammelt es mit Hilfe des Fasses ein.
F: Kind. BM: n. V. P: Vogelperspektive. |
|
Indmeth. | Von Gegenstand zu Gegenstand | |
Panel 24 | B: Vater und Kind freuen sich über das Obst/Gemüse. Der Junge hält das prall gefüllte Fass in den Händen und der Fächer wurde erneut entfaltet.
F: Vater und Kind. BM: n. V. P: Augenhöhe. |
Die tabellarische Analyse stützt die Vermutung der Doppelung von Text und Bild in Die Gnomen und das Kartenhaus. Text, Bild und Fokus stimmen meist überein. Ein Bildmittelpunkt lässt sich nicht bestimmen. Neben der Orientierung am Fokus finden sich auch leere Zentren, Fixierungen bestimmter Spielkarten oder einzelne Körperteile / Kleidungsstücke der Gnome. Perspektivisch bleibt Meggendorfer Auf Augenhöhe, weicht aber in den Panels 11 – 13 auf die Vogelperspektive aus. In Der Japanese und sein Kind liegen Fokus und Bild noch enger beieinander. Entweder werden das Kind, der Vater oder beide zusammen fokussiert, während der Bildmittelpunkt – wie auch in Die Gnomen und das Kartenhaus – entfällt. Dieser Umstand ist der Rahmenlosigkeit der Panels geschuldet. In beiden Bogen bestimmt das Bild selbst seinen Umfang und entzieht sich einer quadratischen bzw. rechteckigen Struktur.
Weiterhin fallen in Der Japanese und sein Kind diverse identische Panels auf: So wird Panel 2 in 4, 5, 7, 8 reproduziert – einzig die Position des Kindes ändert sich – Panel 3 erneut in 6 und 9 verwendet, Panel 12 (es handelt sich um ein geringfügig verändertes Panel 2) bildet die Grundlage für Panel 14 und 16. Die Verwendung gleicher Panels mit minimalen Abweichungen verdeutlicht den Versuch einer genauen Bewegungsabbildung durch Meggendorfer und erinnert an Zeichentrickfilme oder Chronofotografien, in denen sich ebenfalls nur Details ändern. Panel 12 bis 18 zeigt darüber hinaus einen Fächer, der erst aus dem Gürtel geholt, anschließend aufgefächert, benutzt und dann wieder zusammengeklappt und an seinen ursprünglichen Platz verstaut wird und erneut den Ansatz des Künstlers unterstreicht, Bewegungen zu dokumentieren, denn für die Handlung der Geschichte stellt sich die Fächersequenz als irrelevant heraus. Übergänge wie von Panel 11 zu 12 erfordern im Vergleich zu Panel 12 zu 13 eine größere induktive Leistung, denn Panel 11 zeigt angewinkelte Beine, ausgestreckte Arme, die ein Fass halten, auf dem das Kind liegt – Panel 12 präsentiert Fass und Kind auf den ausgestreckten Beinen des Vaters, dessen linker Arm sich auf der Liege befindet und dessen rechter nach dem Fächer greift. Panel 12 zu 13 ändert indes nur Details: Der Fächer wird aus dem Gürtel gezogen und aufgefächert, die Beine angewinkelt und das Kind verschwindet im Fass. Ähnliche Bewegungsmuster zeigt der Übergang von Panel 17 zu 18. Das linke Bein des Vaters balanciert ausgestreckt das Fass / Kind, das rechte, angewinkelte, Bein ist im Begriff, das Fass zu drehen, der Fächer wird in Bauchgegend zusammengeklappt. Im darauffolgenden Panel balanciert der Vater das Fass nun auf angewinkelten Beinen und der Fächer wurde wieder unter dem Gürtel befestigt. Der Unterschied zwischen den Panels findet sich folglich in der Bewegungsphase eines Beins / Fasses.
Beide Bogen lassen keinen Handlungsort erkennen. Liegt bei Der Japanese und sein Kind ein Zirkus nahe, kann diese Vermutung nicht belegt werden und auch Die Gnomen und das Kartenhaus lassen keine Bestimmung zu. Anstatt des Ortes steht demnach die Sequenz im Vordergrund. Der Stil beider Bogen lässt sich nach der McCloud-Realismusskala im Bereich 32 bis 43, 67 bis 71 sowie 92 bis 96 verorten – beide Bogen sind bis zu einem gewissen Grad realistisch, tendieren aber ins Cartoonhaft-Reduzierte. Die Lese- und Blicklenkung orientiert sich an der westlichen; der Rezipient folgt dem Bild von links nach rechts. Jedes Panel kann mit einem Blick erfasst werden und bedarf keiner gesonderten Führung des Zeichners.
Meggendorfers Einfluss auf andere Zeichner sollte nicht unterschätzt werden, denn er fand bald Nachahmer, nicht nur im eigenen Verlagshaus, wie z. B. der Münchener Bilderbogen Nr. 1061, Hans und der Mond, sondern auch in Neuruppin, wie der Kühn’sche Bilderbogen Der Eisbär und die Eskimos nahelegt.[13]
Weitere Bilderbogen und Grafiken dieser Art / Weiterführende Links:
Belege:
[1] Sackmann, Eckart: Lothar Meggendorfer – der Verwandlungskünstler. In: Deutsche Comicforschung 2017. Hrsg. von Eckart Sackmann. Hildesheim: 2016. S. S. 60.
[2] Ebenfalls von Meggendorfer, später zusammen mit Das lüsterne Wildschwein und Der brave Karo auch als Buch bei Braun & Schneider publiziert. Auch diese Geschichten weisen eine enorme Sequenzialität auf. Die Handlung spielt an einem festen Ort, einzig die Figuren bewegen sich. Der brave Karo sticht besonders heraus und ähnelt den Gnomen in hohem Maße. Vgl. Meggendorfer, Lothar: Die Gnomen und das Kartenhaus. Das lüsterne Wildschwein. Der brave Karo. Drei lustige Geschichten von Lothar Meggendorfer. Mit Versen von Franz Bonn. http://publikationsserver.tu-braunschweig.de/receive/dbbs_mods_00034098 [konsultiert am 09.02.2017].
[3] Die drei fraglichen Panels verändern zu sehr den Bildinhalt, um den Eindruck von Bewegung beim Betrachter zu erzeugen.
[4] 0,04 Sekunden entsprechen einer Bildrate von 24 Bildern pro Sekunde, 0,08 einer Bildrate von 12 Bildern pro Sekunde.
[5] Vgl. hierzu auch: Krahé Krahé, Hildegard: Lothar Meggendorfers Spielwelt. München 1983. S. 123. und Sackmann, Eckart: Lothar Meggendorfer – der Verwandlungskünstler. S. 53.
Krahé verweist ebenfalls auf die filmische Art von Meggendorfers Arbeiten. Der Handlungsablauf sei filmisch, jedoch nicht lückenlos, was wiederum zu szenischen Auslassungen führt, die mental ergänzt würden.
[6] Bei den besagten Filmen handelt es sich um Der neue Schreibtisch und Die lustigen Vagabunden (beide 1912). Till, Wolfgang: Vorwort. In: Krahé, Hildegard (Hg.): Lothar Meggendorfers Spielwelt. München 1983. S. 7.
[7] Sackmann, Eckart: Lothar Meggendorfer – der Verwandlungskünstler. S. 48.
[8] Frosch und Frisch finden sich immer wieder im Werk Meggendorfers. Teilweise unter anderem Namen treten sie etwa in Die schlauen Zwerge (Fliegende Blätter Nr. 2080, 1885), Das Katzerl und der Kobold (Fliegende Blätter Nr. 2322, 1888), Die Seifenblasen (Münchener Bilderbogen Nr. 907, 1886) oder in seinem Bilderbuch Die Wichtelmänner (Braun & Schneider, München 1890) in Erscheinung. Der französische Zeichner Christophe (Georges Colomb) schien mit Meggendorfers Werk so vertraut zu sein, dass er nicht nur offensichtlich bei jenem plagiierte, Die Gnomen und das Kartenhaus unter dem Titel Château de cartes (Le Petit Français Nr. 134, 1902) adaptierte, sondern mit Les Grenouilles et les cartes (Nr. 42, 1903) auch eine Krötenversion der Geschichte anfertigte. Christophe greift diese Figuren immer wieder auf. Zwischen 1893 und 1904 entsteht in jener Zeitschrift eine Art Fortsetzungstrip mit 55 Ausgaben.
Vgl. Sausverd, Antoine: Les Cousins Germains De Plick et Plock. http://www.topfferiana.fr/2010/11/les-cousins-germains-de-plick-et-plock/ [konsultiert am 31.07.2018]., Colomb, Georges (Christophe): Les Grenouilles et Les Cartes. http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k962390v/f12.item.r=La%2520Jeunesse%2520illustr%25C3%25A9e.zoom [konsultiert am 10.02.2017]. Sowie: Colomb, Georges (Christophe) : Plick et Plock. Château des cartes. https://de.scribd.com/doc/42779987/Christophe-Plick-et-Plock-Chateau-de-cartes [konsultiert am 01.08.2018, Link inaktiv].
Weitere Beispiele für Meggendorfers Gnome finden sich in: Krahé, Hildegard: Lothar Meggendorfers Spielwelt. S. 67 – 71, 162.
[9] Die Gnomen und das Kartenhaus veröffentlichte man zusammen mit Der brave Karo und Das lüsterne Wildschwein – alle drei Geschichten stammen von Meggendorfer und Bonn – als Buch im Verlag Braun & Schneider. Sechs Auflagen gelten als belegt. Die Panels wurden dekonstruiert und im Falle der Gnome in je drei (S. 3, 4, 7, 8) bzw. zwei (S. 5, 6) Bilder pro Seite zerlegt. Das lüsterne Wildschwein sowie Der brave Karo werden mit je zwei Bildern pro Seite abgebildet.
(Vgl. Meggendorfer, Lothar: Die Gnomen und das Kartenhaus. Das lüsterne Wildschwein. Der brave Karo. Drei lustige Geschichten von Lothar Meggendorfer. Mit Versen von Franz Bonn. http://publikationsserver.tu-braunschweig.de/receive/dbbs_mods_00034098 [konsultiert am 09.02.2017].)
Diese Art der Umwandlung bzw. Zweitverwertung findet sich häufig in der Literatur. Einige Deutsche Bilderbogen wurden auf ähnliche Art im Albatros Verlag herausgegeben (Anonymus: Deutscher Bilderbogen für Jung und Alt. Herrsching o. J.) und auch dem Schweizer Comiczeichner Rodolphe Töpffer erging es im Rowohlt Verlag nicht anders.
(Vgl. Töpffer, Rodolphe: Der kühle Bräutigam. Die Abenteuer des Herrn Cryptogam zu Wasser und zu Lande. Hamburg 1968.)
[10] Krahé, Hildegard: Lother Meggendorfers Spielwelt. S. 123.
[11] Sackman, Eckart: Lothar Meggendorfer – der Verwandlungskünstler. S. 53.
[12] Vgl. McCloud, Scott: Comics machen. S. 12 – 14.
[13] Ein Verzeichnis aller Bilderbogen, die Meggendorfer für das Verlagshaus Braun & Schneider anfertigte, findet sich in Krahé, Hildegard: Lothar Meggendorfers Spielwelt. S. 193.